Leitbild oder Leidbild Mensch: Welche Zukunftsvision haben wir eigentlich vom Menschen? Was neben Zukunftsvisionen der Technologisierung, künstlichen Intelligenz, Digitalisierung zählt

Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, wie sich die Welt in der Zukunft entwickeln wird, kommen häufig Phänomene wie ,,künstliche Intelligenz“ zur Sprache, ,,Digitalisierung“ oder Technologisierung. Menschensähnliche Roboter, implantierte Chips, fliegende Autos. Selbstfahrende Autos gibt es schon jetzt. Bei allen möglichen Szenarien werden verschiedenste Szenarien entworfen, wie sich die Welt um uns herum verändern könnte, wird, sollte. Irgendetwas fehlt hier. Oder?

Denn: Was ist dabei eigentlich mit uns Menschen? Wie wollen wir uns entwickeln, was ist unsere Vision von uns, vom Menschen selbst? Wie wollen wir leben, mit welchem Bewusstsein, welcher Haltung, welchen Werten, was treibt uns an? Was bewegt uns, macht uns aus, in der Zukunft? Was für ein Miteinander wollen wir leben, wie miteinander umgehen? Was verbindet uns Menschen miteinander, was unterscheidet uns? Was macht uns aus, unseren Zukunftsmenschen?

In einer Gesellschaft, in der wir es so verinnerlicht haben, über Wachstum zu sprechen, Wachstum des Marktes, Wachstum der Wirtschaft, usw., warum sprechen wir nicht längst über den – vielleicht wichtigsten Wachstum – den Wachstum oder vielleicht eher die Entfaltungsmöglichkeiten &-richtung des Menschen?

Der wirtschaftliche Aufschwung und Kapitalismus, der Fokus auf Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Effizienz hat uns in einen für so viele Menschen noch nie da gewesenen Wohlstand geführt, stellt Bregmann, niederländischer Historiker, heraus. Dies ist wertvoll. Zugleich sei das Festhalten daran nicht mehr zeitgemäß, so Bregmann. Die Maxime: ,,Höher, schneller, weiter“, erfüllt den Menschen auf Dauer nicht wenn es auf Kosten der eigenen Gesundheit geht. Die damit häufig verbundene Schnelligkeit, Hektik, der Fokus auf Leistung erschöpft zunehmend. Auch aus meiner langjährigen Erfahrung als Senior Beraterin über sechs Jahre mit einer Vielzahl von verschiedenen Organisationen wie Einzelpersonen, letztere über alle Hierarchiestufen hinweg zeigte sich immer wieder: Die veränderten Arbeitsbedingungen sind mit erhöhten Belastungen verbunden und fordern viele Menschen.

Es gibt dazu vereinfacht zwei grobe besonders präsente Strömungen im Zeitgeist: Ein weiterhin ,,Höher, schneller, weiter“ – die Wachstumsmaxime, die Wirtschaftlichkeit, Fakten, Profit und ,,ewiges Wachstum“unabhängig von dessen Kosten in den Fokus setzt. Daneben gibt es den Trend der Entschleunigung, Auszeit, Achtsamkeit, der ,,Work-Life-Balance“, ,,Hygge“, Spiritualität ist heute wieder ,,hip“, Meditation ,,in“, was früher eher ,,die Alternativen“ machten.

Wenn wir von uns Selbst noch keine Zukunftsvision haben, wie soll dann eine Zukunftsvision unseres Lebens wirklich Bestand haben? Macht es Sinn zunächst die äußere Welt zu entwerfen und dann den Menschen dazu, der ,,dazu“ passt? Oder könnte es nicht eher andersrum laufen, dass wir eine Vision von uns Menschen haben und dann schauen, welche äußerliche Welt dazu passt?

Sicherlich hat uns der wirtschaftliche Wachstum auf vielerlei Ebenen wertvolle Entwicklungen gebracht, allen voran einen Wohlstand für soviele Menschen wie nie zuvor ermöglicht, auch die Schere von reich zu arm sei nicht wie so oft angenommen weiter auseinander gegangen, die extreme Armut so stark gesunken wie noch nie, so Historiker Bregmann. Dennoch gibt es weiterhin Unterschiede zwischen materiell ärmeren und reicheren Schichten und extreme Armut ist weiterhin existent. Neben den zuvor genannten positiven Entwicklungen, die nur ein Auszug von allen sind, die es gibt, sind wir in den materiell wohlhabenden Ländern existenziell überwiegend abgesichert. Uns geht es, so könnte man meinen, so gut materiell, existenziell, das wir auf der Maslowschen Bedürfnispyramide kollektiv (in den materiell wohlhabenden Ländern)auf der Stufe der Selbstverwirklichung stehen. Diese können wir vom Einzelnen auf das Kollektiv erweitern. Die Grundbedürfnisse sind gestillt. Neben dem äußeren, materiellen Wachstum rückt der immaterielle, innere Wachstum in den Fokus.

Neben allen negativen Szenarien und Zukunftsprogrognosen, welche mit ihren potenziellen Gefahren ernst genommen werden müssen, lohnt sich immer wieder die Ausrichtung auf das Mögliche, in jede Richtung – auch in die der positiven Potenziale.

Denn Zukunft ,,passiert“ nicht einfach so, sie wird maßgeblich durch uns ,,gemacht“ – von uns Menschen mit gestaltet, co-kreiiert. Ob bewusst oder unbewusst. Ob als Individuum oder im Kollektiv.

»Der Mensch ist das Wesen, das die Fähigkeit hat, sich die Zukunft so detailliert vorzustellen, dass er sie erschaffen kann« Florence Gaub

In einer Zeit des Umbruchs, der Ungewissheit, Unsicherheit, in welcher sich individuelle und gesellschaftliche Ängste häufen, ist der Fokus auf unsere Gestaltungsmacht und Selbstwirksamkeit wichtiger als je zuvor. Zu schnell gerät sonst aus dem Fokus, dass wir die Zukunft gestalten können im Hier und Heute. Das wissen wir heute und ist bestens wissenschaftlich untersucht. Gunther Schmidt, ein renommierter hypno-systemischer Psychotherapeut, Arzt, Unternehmer und Ausbilder, hat dazu immer wieder betont:

,Wir erzeugen unser Erleben Sekunde für Sekunde selbst durch Aufmerksamkeitslenkung -und Fokussierung“ G. Schmidt

Wir können nicht alles im Leben beeinflussen und gestalten. Wir können jedoch immer unser Erleben dessen was passiert maßgeblich gestalten – und das beeinflusst, wie wir auf das reagieren, was uns im Leben begegnet. Und das wiederum hat einen großen Einfluss auf unser Leben und seine Entwicklungen, unabhängig von denen, die wir nicht beeinflussen können. Das bedeutet zum einen eine große Eigenverantwortung, zugleich jedoch auch eine große Gestaltungsmacht, die jeder Einzelne hat. Auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlen mag, wenn viele Geschehnisse einprasseln.

Leitend dabei können uns Fragen führen wie:

Was verstehen wir und wie definieren wir eine erfüllende Version von einer Zukunft, woran machen wir sie fest, woran messen wir sie – für uns persönlich sowie bezogen auf das große Ganze und die Gesellschaft?

Wie könnte eine resilientes Individuum und Miteinander, eine resiliente Arbeit- und Lebenswelt, Gesellschaft der Zukunft aussehen?

Was würde bewahrt werden, was müsste sich verändern? Was würde unterlassen, was gemacht? Was zeichnet sie aus, was macht den Unterschied?

Was könnten erste kleine Schritte sein in meinem alltäglichen Tun, Sein, Verhalten? Was sind die 3 Sachen, die ich entsprechend meiner Vision ab jetzt anders ausrichten möchte?

*Erstellt 2020 und adaptiert 2023

* Quellen: Florence Gaub ,,Zukunft. Eine Bedienungsanleitung“ (2023); Rutger Bregman ,,Im Grunde gut“ (2021); Gunther Schmidt ,,Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung“

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